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Pilgern: Eine Reise zu sich selbst

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Britta Jagusch

15. Februar 2024

Sich auf den Weg machen mit wenig Hab und Gut und dem gewählten Pilgerort Schritt für Schritt ein bisschen näherkommen. Pilgern ist ein Abenteuer auf dem Weg zu sich selbst. Schritt für Schritt, der Rucksack gefüllt mit dem Nötigsten: Wäsche zum Wechseln, ein kleiner Kulturbeutel, ein Handtuch, die Wasserflasche und ein wenig Reiseproviant – mehr nicht.

Frei machen, raus aus der Hektik des Alltags – auch ohne Mobiltelefon? Die Frage ist schwerer zu beantworten als der Verzicht auf ein weiteres Paar Socken. Mitnehmen, um sich daheim ab und zu bei den Lieben zu melden oder auf öffentliche Telefone in Ortschaften und Herbergen vertrauen? Wer sich zum Pilgern aufmacht, muss schon im Vorfeld loslassen, mit wenigem auskommen, gut überlegen, was notwendig ist für die Reise mit den Füßen.

Immer der Sehnsucht nach
Während Menschen in früheren Zeiten fast ausschließlich aus religiösen Gründen pilgerten, sind es heute unterschiedliche Motive, die Menschen auf die Pilgerroute führen. Oft ist es die Sehnsucht nach Entschleunigung, eine Abkehr von der Reizüberfl utung unserer modernen Welt – andere möchten einen Schicksalsschlag verarbeiten oder auf unbeantwortete Fragen eine Antwort finden. Doch ob es darum geht, „nur“ den Kopf frei zu bekommen und sich eine Auszeit zu gönnen, der Pilgerweg bleibt immer auch ein spiritueller Weg.

Mehr als 500.000 Deutsche sind jährlich auf Europas Pilgerwegen unterwegs, zehntausende Frauen und Männer aller Altersgruppen allein jährlich auf der wohl bekanntesten Route, dem Jakobsweg ins spanische Santiago de Compostela – eine Route auf der schon im Mittelalter Gläubige auf der Suche nach Gott waren. Pilgern ist jedoch kein typisch christliches Motiv: In fast allen Weltreligionen finden sich Formen von Pilgerreisen, ob als Moslem, Jude, Hinduist, Buddhist oder Christ – Menschen sind Suchende, die sich in allen Religionen auf den Weg machen, um mit ihrem Gott in Verbindung zu treten und an besonderen Orten göttliche Kräfte zu spüren.

Der Weg ist das Ziel
Doch ob das Grab des Heiligen Jakobus in Spanien besucht wird oder die Statue der Heiligen Maria im französischen Lourdes das Ziel ist – Pilgernde sind immer auch auf der Reise zu sich selbst. Dabei ist der Weg das Ziel. Man wandert auf Jahrhunderte alten Pfaden, kommt an mittelalterlichen Klöstern und Hospizen vorüber. Man entdeckt gotische und romanische Kathedralen und Kirchen. Man übernachtet mit vielen Gleichgesinnten in Pilgerherbergen. Fühlt sich in eine andere Zeit zurückversetzt. Das Eintauchen in eine fremde Welt, der Rhythmus der Schritte, das Ausgeliefert sein – dem Weg und dem Wetter, machen das Pilgern zu einer Grenzerfahrung. Den Körper spüren, seine Belastbarkeit, die eigenen Füße wahrnehmen, die einen jeden Tag tragen und die Frage, wie weit werde ich heute gehen können?

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Pilgerzeichen zum Schutz
Auch heute noch sind die meisten Pilger von „normalen“ Wanderern durch besondere Kennzeichen zu unterscheiden. Für die Pilger besitzen diese Pilgerzeichen eine besondere Bedeutung, ob religiös motiviert oder als Glücksbringer. Man kann sie in den Wallfahrts- und Pilgerorten kaufen und trägt sie an gut sichtbarer Stelle bei sich. Schon im Mittelalter wurden die Abzeichen, meist in Form kleiner Plaketten oder Medaillen an Wallfahrtsorten verkauft und auf der Pilgerfahrt am Hut oder an der Kleidung befestigt. In mittelalterlichen Zeiten boten sie darüber hinaus einen Schutz vor Überfällen, denn einen Pilger auf seiner Pilgerfahrt zu überfallen oder gar umzubringen galt als großes Verbrechen oder Todsünde.

Das Geheimnis der Jakobsmuschel
Das bedeutsamste Zeichen der Jakobspilger war und ist bis heute die Jakobsmuschel. Als Pilgermuschel und Symbol für die Pilgerfahrt nach Compostela ist sie seit dem zwölften Jahrhundert gebräuchlich. Schon in der Antike galt die Muschel als Heil- und Glücksbringer sowie als Symbol der Liebe. Als Wegweiser und Symbol des Jakobsweges wird das Pilgerzeichen als Jakobsstern dargestellt. Gelb auf blauem Grund mit Strahlen, die die Wege durch Europa symbolisieren sollen und aus elf Richtungen kommen und im westlichsten Punkt zusammenlaufen, in Santiago de Compostela.

Der Pilgerstab als dritter Fuß
Auch der Pilgerstab ist bis heute ein bekanntes Pilgerzeichen. Der brustbis mannshohe Wanderstock, der von Pilgern verschiedener Religionen verwendet wird, nennt sich im christlichen Kontext Jakobsstab. Der traditionelle Jakobsstab ist mit einer Eisenspitze und einer kugelförmigen geschnitzten oder gedrehten Verdickung am oberen Ende und einer weiteren als Handruhe dienenden Verdickung in Brusthöhe versehen. Neben dem Pilgerhut, eine breitkrempige Kopfbedeckung, die den Träger gegen Regen und Sonne schützt, und der Pilgertasche, die heute vom modernen Rucksack ersetzt wird, gilt der Stab als äußerlich sichtbares Zeichen der Pilgerschaft. Er wurde dem Pilger im Mittelalter während des Pilgersegens überreicht. Im Pilgerführer des Jakobsbuchs aus dem 12. Jahrhundert wird er als „dritter Fuß“ des Pilgers bezeichnet, der die Dreifaltigkeit symbolisieren und dem Wallfahrer (auch spirituellen) Halt geben soll.

Der Pilgerpass
Als offizielles Dokument des Pilgers gilt der Pilgerausweis oder Pilgerpass. Dieser bestätigt, dass der Pilger auf traditionelle Weise (zu Fuß, Rad oder Pferd) unterwegs ist. Er ist das wichtigste Dokument der Pilgerreise. Die Tradition der Pilgerausweise geht auf die früheren Empfehlungs- oder Geleitschreiben zurück. Wer nach Santiago de Compostela unterwegs ist, muss sich den Pilgerpass unterwegs abstempeln lassen: in Kirchen, Klöstern und vor allem den Pilgerherbergen am Jakobsweg. Denn nur wer nachweisen kann, dass er pilgernd auf dem Weg war, erhält die begehrte Pilgerurkunde Compostela. Dabei muss der Pilger mindestens die letzten 100 Kilometer auf dem Camino zu Fuß bzw. zu Pferd oder 200 km per Rad zurückgelegt haben. Der mit Stempeln gefüllte Pilgerpass ist aber nicht nur Dokument zur Erlangung der Pilgerurkunde, sondern auch schönes Andenken an die Stationen einer ganz besonderen Reise.