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Gewinn für Körper und Seele – Fastenwandern

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Britta Jagusch

24. Februar 2023

Auf Schusters Rappen unterwegs, als Proviant statt einer Brotzeit nur Wasser oder Fruchtsaft. Fastenwandern ist beliebter denn je. Statt Selbstquälerei und sportlicher Hochleistung stehen Entspannung, geistige Regeneration und die Gesundheit im Vordergrund.

Der Tag beginnt mit einem kurzen Morgenlauf und Gymnastik, danach kleine Schlucke aus der Teetasse, Wärme für den Körper. Mit neuer Energie geht es in die Natur. Wandern ist angesagt. Den Gedanken freien Lauf lassen oder ein Schwätzchen in der Gruppe halten. Mittags mit Saft erfrischen und abends mit Gemüsebrühe stärken. Die Angebote zum Fastenwandern sind vielfältig: unterschiedliche Fastenkuren, Aufenthalte am Meer oder in den Bergen, Unterkünfte von einfach rustikal bis hin zum Wellnesstempel. Ob Vorträge über Ernährung, Stressabbau und Entschleunigung oder der Yoga-Abend und die Ayurvedische Massage, der Markt mit den wenigen Kalorien boomt. Doch woher kommt die Lust auf den Verzicht? Und warum fasten Menschen überhaupt?

Rundum gesund
Die einen wollen schlanker werden, die anderen Ruhe finden, die nächsten ein neues Lebensgefühl erlangen oder Gott näher kommen. Die Beweggründe sind vielfältig. In einer Zeit von Übersättigung und Gewichtsproblemen, sitzenden Tätigkeiten und wenig Zeit an der frischen Luft, bietet das Fastenwandern die perfekte Kombination, um Körper und Seele etwas Gutes zu tun. Raus aus dem Alltag, Bewegung in der Natur und natürliches Licht: das motiviert und steigert das körperliche Wohlbefinden. Dabei darf Fasten nicht als Crash-Diät zum schnellen Abnehmen missverstanden werden. Während des Fastens verliert der Körper zwar an Gewicht und baut Fettpölsterchen ab, doch ist dies eher ein angenehmer Nebeneffekt. Beim Fasten geht es um den ganzen Menschen. Daher gehören eine gesundheitsfördernde Lebensweise, Entspannung und Bewegung sowie seelische Regeneration zu einer gelungenen Fastenzeit.

Warum Bewegung dem Fasten dient
Besonders die Bewegung steigert beim Fasten die positiven Wirkungen: die Durchblutung wird verbessert, die Sauerstoffaufnahme erhöht, der Stoffwechsel wird angeregt und Fett verbrannt. Ausgedehnte leichte Wanderungen begünstigen das Wohlbefinden und die Fitness. Der Stoffwechsel wird angeregt und die Muskeln gestärkt. Neben Wanderungen bieten sich auch Radfahren, Gymnastik oder Schwimmen als Kombination zum Fasten an. Wer ganz abschalten will, dem helfen Entspannungsübungen, um in sich hineinzuhören und die Bedürfnisse des eigenen Körpers wahrzunehmen.

Entschleunigung im Weltkulturerbe
Angeboten wird Fastenwandern in landschaftlich attraktiven Regionen, in der Regel sind die Angebote auf eine Woche abgestimmt – die Weglängen sind unterschiedlich, gewandert wird in der Regel bei jedem Wetter. Ob Strandwanderungen an der Ostsee oder in heilender frischer Alpenluft. Beim Blick in die Weite der Bergwelt fällt das Abschalten leicht.

Ein Wanderwunderland findet sich zum Beispiel in Davos Klosters: 700 km Vielfalt an gemütlichen Panoramawegen zu hochalpinen Pfaden. Klosters ist Ausgangspunkt für attraktive Wanderungen durch eine üppige Naturlandschaft. Ursprünglich verdankt Davos seine Bedeutung seinem Heilklima, das seit rund 150 Jahren bekannt ist. Die erste Davoser Fremdenpension, die Kurgäste beherbergte, öffnete bereits 1860. Der deutsche Arzt Alexander Spengler entdeckte die heilende Wirkung der Höhenluft, er schuf eine Freiluft-Liegekur für Lungen-Kranke, die Davos berühmt machte. Mit der Veröffentlichung des 1924 erschienen Romans »Der Zauberberg « von Thomas Mann wurde Davos auch literarisch weltbekannt. Neben Mann machten zahlreiche weitere Schriftsteller, Künstler und Philosophen den Kurort in ihren Werken berühmt, sodass Davos zum international führenden Kurort aufstieg.

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Wer neben Wanderungen in einem Luftkurort spezielle Fastenangebote sucht, findet womöglich im Kloster St. Johann im Val Müstair den entsprechenden Rahmen: Hier kann man die Fastenzeit in einem UNESCO- Welterbe erleben. Das Benediktinerinnen-Kloster St. Johann Müstair, in dem heute noch Nonnen leben und arbeiten, heißt Menschen willkommen, die sich Tage der Einkehr gönnen und einen ganzheitlichen Aspekt eines zeitgemäßen Fastens erleben möchten. Fastengespräche, Vorträge und die freie Teilnahme am Angebot von Besinnungs- und Meditationszeiten sowie die täglichen Yogastunden bieten dabei Anregungen und praktische Unterstützung.

Jahrtausendalte Tradition
Die jahrtausendealte Tradition wird im Kloster besonders deutlich. Für Christen enden am Aschermittwoch die tollen Tage des Karnevals, in denen nach Lust und Laune gefeiert wird. In der anschließenden Passionszeit bereiten sie sich 40 Tage auf Ostern vor. 40 Tage war auch Jesus in der Wüste unterwegs – ohne Essen und Trinken. Und das Volk Israel wanderte 40 Jahre durch die Wüste bis es das Gelobte Land erreichte. Während die Fastenzeit vom Sankt Martinstag am 11. November bis Weihnachten fast in Vergessenheit geraten ist, findet die Fastenzeit vor Ostern immer mehr Anhänger. Millionen Menschen lassen sich zum Beispiel jährlich mit »7 Wochen Ohne«, der Fastenaktion der Evangelischen Kirche, aus dem Trott bringen und verzichten auf das was ihnen lieb ist oder zur Alltagsroutine gehört: sei es Schokolade, Fernsehen oder das Glas Wein.

Heilung auf mehreren Ebenen
Das Fasten als gesundheitsfördernde Maßnahme lebte zu Beginn des letzten Jahrhunderts bei uns wieder auf. Der Fastenarzt Otto Buchinger prägte 1935 das Wort »Heilfasten«. Damit knüpfte er zwar an die Urtradition des religiösen Fastens an, definierte aber »Heil« als sowohl körperliche Gesundheit als auch psychisch-seelisches Gleichgewicht. Für Buchinger stand fest, dass Fasten mehrere Dimensionen besitzt, eine leibliche, eine psychisch-seelische und auch eine soziale, insbesondere beim Fasten in der Gruppe. Auch in der jüdisch-christlichen Tradition wurde Fasten nie isoliert durchgeführt, sondern ging immer mit Beten (spirituelle Dimension) und Almosen geben (mitmenschliche Dimension) einher.

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Keine Nahrung – große Wirkung
Aber warum ist Fasten gesund? Wenn unser Stoffwechsel keine Nahrung von außen bekommt, schaltet er auf Ernährung von innen um. Das bedeutet, er baut körpereigene Depots ab, um Zellen und Organe mit Energie und Nährstoffen zu versorgen. Insbesondere die Fettreserven werden zur Energiegewinnung herangezogen. Regelmäßiges Fasten wirkt sich in vielerlei Hinsicht günstig aus: Übergewicht wird abgebaut, Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte können sich normalisieren. Bei Allergien, Autoimmunkrankheiten oder chronischen Magen-Darm-Erkrankungen hat sich das Fasten ebenfalls bewährt.

Verjüngungskur und gute Stimmung
Die Veränderungen im Fastenstoffwechsel wirken sich auch positiv auf Alterungsprozesse aus. Nach einem Anstieg zu Beginn des Fastens sinken beispielsweise die Spiegel der Stresshormone, die das Altern begünstigen, deutlich ab. Gleichzeitig steigt die Bildung Gewebe verjüngender Hormone an. Entzündungsprozesse, die das Altern beschleunigen, beeinflusst das Fasten ebenfalls positiv. So bildet der Körper im Fasten mehr an bestimmten Enzymen, die wesentlich an der Erneuerung und dem Überleben von Zellen und Erbgut beteiligt sind. Fasten schützt zudem den Herzmuskel. Selbst im psychischen Bereich wirkt es sich günstig aus: Die Schlafqualität und die Stimmungslage verbessern sich.

Die Kehrseite des Fastens
Trotz der vielen positiven und gesundheitsfördernden Aspekte ist Vorsicht geboten, denn Fastenkuren können je nach Konstitution des Fastenden auch starke Nebenwirkungen haben. Um Kopfschmerzen, Kreislaufstörungen, Blähungen, Herzbeschwerden, Gichtanfälle, Depressionen, Seh- und Schlafstörungen vorzubeugen, ist vor allem das ausreichende Trinken wichtig. Von Krankenkassen wird empfohlen, vor einer Fastenkur einen Arzt aufzusuchen und sich gründlich darauf vorzubereiten (siehe Kasten links). Auch sogenanntes Heilfasten bei Erkrankungen wie etwa Rheuma sollte grundsätzlich nur unter ärztlicher Kontrolle geschehen.

Die Qual der Wahl
Fastenarten gibt es viele, um die Richtige zu finden, ist es gut, sich beraten zu lassen, vom Arzt, Ernährungsberater oder den Anbietern von Fastenurlauben, meist bieten die Pensionen oder Hotels gleich verschiedene Angebote an. Beim Heilfasten nach Buchinger, das auch Saftfasten genannt wird, heißt es trinken, trinken, trinken. Neben Wasser und Kräutertee gibt es Gemüsebrühe, Säfte und Honig. Beim Basenfasten wird gegessen, aber nur basische Lebensmittel – also Obst und Gemüse, Kräuter oder auch Pistazien – dabei soll der von fettigem Essen und chemischen Inhaltsstoffen übersäuerte Körper entlastet werden. Beim Molke-Fasten wird viel Wert auf eine hohe Eiweiß-Zufuhr gelegt, bei der Schroth-Kur gibt es neben gekochtem frischen Gemüse als Getränke nicht nur Wasser, Tee und Säfte, sondern auch Wein. Bei der Franz-Xaver-Mayr-Kur werden altbackene Brötchen mit Milch, dosiertes Reinigen des Darms und eine tägliche Massage des Bauchs verordnet.

Wo kann ich fasten?
Am besten gelingt das Fasten in einem betreuten Fastenkurs oder einer speziellen Fastenklinik. Um wirklich vom Alltag abzuschalten, sind Fastenferien ideal. Für das Fasten zuhause gibt es begleitende Kurse an Volkshochschulen und ähnlichen Einrichtungen. Wer zum ersten Mal fastet, schließt sich am besten einer Gruppe an. Gemeinsam mit Gleichgesinnten fällt es meist leichter, und erfahrene Fastenleiter helfen dabei, dass das Fasten ein Erfolg wird. Bei der Auswahl eines Fastenkurses am besten auf ein ganzheitliches Konzept achten – dazu gehört auf jeden Fall auch Bewegung, Darmpflege, Entspannung und seelische Betreuung.