21. September 2016
Pilgern ist mehr als eine Methode, die der Selbstfindung dient. Warum Christ sein und auf dem Weg sein nicht voneinander zu trennen sind, weiß Bruder Christophorus Goedereis, Kirchenrektor von Liebfrauen in Frankfurt am Main.
jetztWIR.: Pilgern wird auch als Beten mit den Füßen bezeichnet, was ist das Besondere am Gehen aus christlicher Sicht?
Bruder Christophorus: Gehen oder Pilgern ist im christlichen Verständnis nicht eine nette Methode der meditativen Besinnung, sondern eine Grundhaltung christlichen Glaubens. Glauben hat in der Heiligen Schrift auch immer etwas mit Aufbruch zu tun. Schon Abraham zieht los auf Gottes Geheiß (Genesis 12,1) und verlässt seine Heimat, um in ein fremdes Land zu gehen. Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen, sagte Jesus. Und auch beim Segen sagen wir: Gehet hin im Frieden des Herrn. Im Christentum geht es dabei somit nie allein um Selbstfindung, sondern immer um die Begegnung mit Gott, aber mit Gott in der Welt.
jetztWIR.: Wie erklären Sie sich die zunehmende Beliebtheit des Pilgerns?
Bruder Christophorus: Ich glaube, es ist die Suche des Menschen nach Spiritualität in einer modernen und immer säkulareren Welt. Zu Fuß unterwegs sein, in Zeiten schneller Veränderung bedeutet auch Entschleunigung. Wann nehmen wir uns Zeit zur Besinnung, für uns, länger als einen kurzen Fußmarsch? Pilgern bietet die Möglichkeit, aus sich selbst herauszugehen. Den Menschen, denen wir begegnen, die Orte, die wir besuchen, die Erfahrungen, die wir machen, all das macht etwas mit uns. Wir bleiben derselbe und werden doch ein anderer.
jetztWIR.: In welcher Form begegnet Ihnen dieser Grundgedanke des Gehens im Alltag?
Bruder Christophorus: Jeder Mensch ist mit sich und seinem Leben auf dem Weg. Dazu gehören Trauer und Freude, Gelingen und Scheitern, Krisen und Aufbrüche, Abschied und Neubeginn. Als Seelsorger höre ich zu und begleite die Menschen, die zu mir kommen auf ihrem ganz persönlichen Weg zum nächsten Schritt. Auch hier geht es um Aufbruch und Weitergehen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch ganz klassische traditionelle Praktiken, Pilgerreisen, Wallfahrten, Bußgänge oder das Beten der Mönche im Kreuzgang. Unter dem Motto „Liebfrauen unterwegs“ bieten wir zum Beispiel auch spirituelle Reisen an, nach Assisi, Rom, Rumänien und Israel oder wir begeben uns auf die Spuren von Bernhard von Clairvaux im Burgund. Aber das eigentliche Ziel liegt nicht in dieser Welt. Es geht immer darum, Jesus zu finden.
Seit 2014 ist der Kapuzinermönch Br. Christophorus Goedereis Kirchenrektor der Liebfrauenkirche und Leiter der Citypastoral an der Frankfurter Liebfrauenkirche.
Von 2004 bis 2013 leitete er als Provinzial die Rheinisch-Westfälische, anschließend die Deutsche Kapuzinerprovinz.